Zusammen und so allein
Da stand ich nun. Ein Kind in der Trage auf dem Rücken, damit es schläft. Ein Kind in der Badewanne, damit es beschäftigt ist und das Kind in der Trage nicht aufweckt.
Ich übermüdet, überreizt und ausgebrannt – und allein. Wir waren ständig zusammen und ich war so allein. Wenn mein Sohn einen Mucks tat, schrie ich ihn an, weil er das Baby aufweckte. Ich wollte einfach nur das sie endlich schläft. Ich konnte nicht mehr.
Ich wollte mich auf den kalten Badezimmerboden legen in unserer Altbauwohnung im Hamburger Schanzenviertel. Ich wollte einfach nur, dass der Tag endlich vorbei ging.
Mein Kopf war in Nebel gehüllt, ich nahm vieles nur dumpf war – aber das wusste ich damals nicht. Für mich war das mein Normalzustand. Erst als der Nebel wieder verschwunden war, verstand ich, dass er dort gewesen war. Was ich aber damals schon wahrnahm: Ich fühlte mich leer und freudlos. Ich war genervt. Vor allem von meinem Mann, der meiner Meinung nach zu wenig tat. Das meiste blieb an mir hängen. Zusammen allein in der Wohnung war es am schlimmsten.
Leichter fiel es mir draußen. Manchmal saß ich auf den Spielplätzen nachmittags und zog mit Freundinnen über unsere Männer her. Ihnen ging es genauso. Alles war zu viel, zu anstrengend, zu ätzend und irgendwie nicht so, wie wir es uns vorgestellt hatten. Und auch sie waren Teil meines Problems: Denn weil es uns allen so ging, war es nun mal normal. So ist es wohl als Mama, hatte uns nur keiner vorher erzählt.
Ich war wütend. Vor allem auf das Patriarchat, die Politik und das System, das nicht gemacht ist für Mütter, die arbeiten wollten, die eine gleichberechtigte Partnerschaft wollten. Mein Mann war meine Symbolfigur dafür, dass in unserer Gesellschaft alles schief läuft. Er bekam meine ganze Wut ab.
Feministische Podcasts und Bücher unterstützen meine Sichtweise. Studien belegten, was alles schief läuft in unserer Gesellschaft Gender Pay Gap, Equal Pay Day, Mental Load. Vielleicht war ich ohne Mann besser dran? Auch wenn ich es nie wirklich aussprach: Eine zeitlang begleitete mich der Gedanke, dass es ohne ihn leichter sein würde. Er weigerte sich mental load sichtbar zu machen. Wir verfranzten uns in gegenseiteigen Vorwürfen. „Immer muss ich hier alles alleine schmeißen.“ „Ohne mein Geld würden wir hier gar nicht so leben können.“ Wenn ich nicht die gesamte Care-Arbeit übernehmen würde, könntest du überhaupt nicht so viel arbeiten.“
Ich hatte Rhea auf dem Arm. Es war spät abends. Vielleicht 21 Uhr und sie wollte einfach nicht schlafen., Ich drehte Runde um Runde auf unserem Altbau-typischen ewig langen Flur. Rhea in der Trage, ich singend. Die Dielen knarzten unter meinen Füßen. Ich wusste genau, welche weniger schlimm kanrzten, damit Tian nicht aufwachte.
Mit jedem Gang stieg meine Wut. Ich war so aggressiv gegenüber Rhea, die einfach nicht schlafen wollte. Ich öffnete die Tür zum Arbeitszimmer meines Mannes. Kannst du mal, sagte ich im aggressiven Tonfall. Er rollte mit den Augen. Das war zu viel für mich. Ich schrie ihn an, ich machte allem Luft, was die ganze Zeit in mir schwelte. Alles platze heraus, ich schubste ihn. Meine Tochter sah mich mit großen Augen an, ich weinte wütend und war verzweifelt. Wieso wollte dieses Kind nicht schlafen. Ich packte sie unliebsam und stellte ihr dieselbe Frage.
Bevor mein zweites Kind zur Welt kam, hatte ich drei Fehlgeburten innerhalb eines Jahres. Mein Sohn war 2016 zur Welt gekommen.
Allein mit der Überforderung, allein mit der Verantwortung, allein mit meiner Erschöpfung. Elternzeit und Corona.
Das war nicht das Leben, das ich mir vorgestellt hatte. Wo war die Freude und Leichtigkeit geblieben? Wann hatte ich eigentlich aufgehört durch mein Leben zu tanzen? So wie früher auf Festivals und Konzerten. Das Leben war leicht für mich. Bis die Kinder Kinder kamen. Noch nie empfand ich eine solche Schwere, eine Fremdbestimmtheit. Ich war nicht mehr Ich. Wo war ich geblieben?
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